Pressebericht - Memmingen 28.05.2003

copyright Allgäuer Zeitung / Memminger Zeitung (von Michael Denkinger)

S c h n ö r k e l l o s

Die Bühne in der Stadthalle gleicht einem Lichtermeer. Künstlicher Rauch steigt auf. Der Background von Status Quo wird dominiert von frisch blondierten Frauen mit falschen Brüsten. Ein Feuerwerk wird entfacht. Stopp! Kassette zurückspulen: Es sind nur wenige Bühnen-Leuchten, das weisse Hemd von Francis Rossi ist noch immer kragenlos, Rick Parfitt hat sich ein T-Shirt übergestreift und trägt die blonde Löwenmähne von einst. Rossi und Parfitt sind Mitte fünfzig und halten nicht übermäßig viel Abstand zum Stammpublikum, das teils graues Langhaar, Jeans und Leder trägt. Status Quo steht nicht für Überraschungen, Experimente und Innovation, sondern Verlässlichkeit. Das Front-Duo macht sich nichts aus einer stetig steigenden Dramaturgie der Akkorde, sondern hält ohne lange Vorrede und mit extremem Tempo drauf, was das Zeug hält.

Noch immer klingt die Musik ungestüm und wild: Beispielsweise wenn Parfitt zur Eröffnungsnummer "Carolina" die Riffs aus den Saiten rupft, dass es einem fast das Trommelfell zerreisst. "The Wanderer" und "Something 'bout you baby I like" folgen. Drei Songs, die ausreichen, um die Halle zum Beben zu bringen.

Die schörkellosen Songs sind immer eingängig und fast immer ohne Brüche. Auf der Quo-Bühne gilt Gleichberechtigung: Rossis Kehle prägt den unverwechselbaren Klang der Gruppe, Parfitts Stimme ist rauchiger, vielleicht variantenreicher. Eine Überraschung für jene Konzert-Besucher, die glaubten, Rossi sei die eigentliche Stimme der Band.

Fast schon selbtironisch ziehen die Grossväter des britischen Hardrock ihre Choreographie des Synchronspielens durch. Jugendliche Zuschauer mögen es als Persiflage auf typische Rocker-Posen deuten, doch ältere Konzert-Besucher wissen: Hier turnen Leute auf der Bühne rum, die Vorbilder für unendliche Luftgitarren-Nummern in Teenager-Buden waren und es womöglich noch immer sind. Auffallend: Status Quo ist zu den Anfängen zurückgekehrt, die Klänge wieder härter. Vielleicht lässt sich so erklären, warum sich ein Ohrwurm wie "Marguerita Time" nicht mehr im Quo-Live-Repertoire findet.

Wer auf die Riesenhits "What You're Proposin'", "In The Army Now" oder einen Mega-Knaller als Zugabe hoffte, der wartete vergebens. "Bye Bye Johnny" spielen sie zum Abschluss so schörkellos und laut wie zuvor "What Ever You Want" und die Hymne "Rockin' All Over The World". Danach reisst sich Rossi die Stöpsel aus den Ohren und das Saallicht geht an. "Einen Hit zum Schluss hat Quo nie gespielt. Warum? Das wissen sie wohl selbst nicht", berichtet Bertold Türtscher, der "mehr als 100 Konzerte" der Band miterlebt hat; er ist extra aus dem österreichischen Bludenz nach Memmingen angereist. Begeistert war Türtscher dennoch. Er war garantiert nicht der einzige.