Pressebericht Lingen 18.06.2004

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"Frischer unverwechselbarer Sound"

Von Raphael Bonitz

Was ist eigentlich los, wenn gut 1500 Konzertbesucher überwiegend im gesetzteren Alter plötzlich außer Rand und Band geraten? Dann steht die Rock-'n'-Roll-Legende Status Quo auf der Bühne und zeigt wieder einmal, das der wahre Rock der geradlinig-handgemachte ist.

Über 30 Jahre schreibt diese britische Band nun die Geschichte des Rock 'n' Roll weiter, und beim Konzert in den Lingener Emslandhallen bewiesen sie, dass sie nichts, aber auch wirklich nichts verlernt haben. Ihre Musik ist frisch wie am ersten Tag, das Zusammenspiel perfekt, aber zu keiner Sekunde nur routiniert. Man merkt, dass die fünf Musiker ihre Musik auf der Bühne leben, dass sie für ihr Publikum spielen, und das macht sie eben so authentisch und ehrlich.

Dazu trägt aber auch der unverwechselbare Stil der Briten bei: diese erdigen, sich am Blues orientierenden, aber stellenweise auch wiederum schottischen und irischen Folk zitierenden Intros und Gitarrenriffs. Da ließ sich natürlich das Lingener Publikum nicht lumpen und rockte kräftig mit ab.

Allerdings heizen die Männer auf der Bühne auch ordentlich ein, haben sie doch auch immer noch die dazugehörigen Showeinlagen und Rockposen drauf, und das ist eben auch das Salz in der Suppe bei solch einem Act.

Francis Rossi und Rick Parfitt mit Gitarre und Gesang geben dabei als Frontmänner die Richtung vor. Sie gehören noch zum "Urgestein" der Band und haben die Power immer noch drauf.

Der groovige Bassist John "Rhino" Edwards kann auch mal den Wilden geben, ist aber im ständigen Blickkontakt mit dem Publikum. In Andrew Bown verfügt die Gruppe über einen exzellenten Keyboarder, der auch mal zur Mundharmonika greifen kann, und in Matt Letley über einen unglaublich präzisen, immer besonnen im Hintergrund agierenden Drummer, der trotzdem die rhythmischen Fäden in der Hand hält. Perfekt bediente Ton- und Lichttechnik runden das Bild ab.

Als Support trat überraschend statt der angekündigten "Sweety Glitter" das Duo "Who 's that girl" auf. Neben ein paar eigenen Songs gab es vor allem Cover-Versionen mit akustischer Gitarre und zweistimmigem Gesang.

Die zwei machten Lust darauf, sie einmal in einem Club oder kleinerem Rahmen zu hören. Dort schlagen sie bestimmt noch heftiger ein, als sie es in den großen Emslandhallen schon taten.

Von Status Quo holte sich das durch und durch zufriedene Publikum noch ein paar Zugaben.

Ganz besonders gefreut hat sich der Status-Quo-Fanclub aus Lathen. Der hatte nämlich im Rahmen des Konzertes nach einigen steinigen Wegen eine Gitarre von ihren Heroes signiert bekommen. "

Der Zopf von Francis Rossi ist dürftig und grau geworden über die Jahre, und auch Rick Parfitts Herz hat die vergangenen Dekaden auf den Bühnen dieser Welt nicht unbeschadet überstanden. Doch By-PassOperationen und schütter werdendes Haupthaar sind für die Urgesteine der Band "Status Quo" kein Grund, dem Rock'n'Roll abzuschwören. Die Briten ließen am Sonntagabend in der Braunschweiger Volkswagen-Halle keinen Zweifel aufkommen: Die Spiellaune ist frisch wie am ersten Tag. Auch im Jahre 36 nach Bandgründung ist ein "Status Quo"-Konzert noch immer eine schweißtreibende Party.

Rossi (53) und Parfitt (54) haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie nichts anderes im Sinn haben, als Gute-Laune-Musik abzuliefern. Die Band steht nicht für Überraschungen, Experimente und Innovationen, sondern für Verlässlichkeit. Mainstream statt Avantgarde.

Und so rammten die Veteranen ihren treibenden Boogie-Rock am Sonntag schon mit dem ersten Titel "Caroline" in die Gitarren-Saiten. Das Front-Duo macht sich nichts aus einer stetig steigenden Dramaturgie der Akkorde, sondern hält ohne lange Vorrede und mit extremem Tempo drauf, was das Zeug hält. Zweieinhalb Stunden Dauerpower.

Die schnörkellosen Songs sind immer eingängig und fast immer ohne Brüche, und selten lässt die Truppe sich und dem Publikum Zeit für Verschnaufpausen. Dabei verfügen Rossi und Parfitt über eine Feinabstimmung, als hörten 20Finger auf ein Hirn. Blinde Übereinstimmung, die einen satten, stimmigen Sound erzeugt.

Nur wenige Rockgruppen können auf eine Doppelspitze zurückgreifen. Hier gilt Gleichberechtigung an der Rampe. Während Parfitt über die variantenreichere Stimme verfügt, prägt Rossis trockene Kehle den unverwechselbaren Klang der Gruppe. Fast schon selbstironisch ziehen die beiden ihre Choreographie des Synchronspielens durch. Jugendliche Zuschauer mögen es als Persiflage auf typische Rocker-Posen deuten, doch ältere Konzertbesucher wissen: Hier turnen Leute auf der Bühne rum, die Vorbilder für unendliche Luftgitarren-Nummern in TeenagerBuden waren und immer noch sind. Denn Rock'n'Roll-Bands wie "Status Quo" haben das Instrumentenballett dereinst erfunden. Das Repertoire würde für ein Dutzend Konzerte reichen, ohne dass ein einziger Song sich wiederholte. So müssen Medleys herhalten, damit das geballte Liedgut verdichtet abgefeiert werden kann. "The Wanderer", "Roll over lay down", "Rockin' all over the World": Der Fundus ist schier endlos. Ein Ohrwurm allerdings blieb an diesem Abend ungehört: "In the Army now". Wohl kaum ein Zufall.

Dafür kamen vier Lieder des neuen Albums "Heavy Traffic" zum Einsatz: der titelstiftende Song sowie "Never say never", "Solid Gold" und "Creeping up on you". Dabei böte die ganze Scheibe Stoff, den guten Ruf der Bandmitglieder als kompromisslose Spaßmusiker zu mehren. Ehre gebührt auch den unbekannteren Mitstreitern: Andrew Bown (Keyboard, Gitarre), John Edwards (Bass) und Matthew Letley (Schlagzeug). Insgesamt eine Truppe, die durch Team- und Sportsgeist besticht.

Die Fans bedankten sich am Ende mit überbordendem Applaus und waren deutlich enttäuscht, dass die Mannen nur eine Zugabenrunde gewährten. Doch irgendwann müssen eben auch "Status Quo" mal ihren körperlichen Grenzen Tribut zollen.