(Bericht von Jürgen Ruland - vielen Dank)
Man schreibt das Jahr 2003, und ganz Europa ist von NuMetallern besetzt. Ganz Europa? Nein, ein kleiner Ort in den Niederlanden namens Lichtenvoorde, 20 Kilometer vom Grenzstädtchen Bocholt entfernt, leistet Widerstand und bietet unter dem Banner ARROW CLASSIC ROCK FESTIVAL die alten Recken WISHBONE ASH, BUDGIE, URIAH HEEP, MANFRED MANN’s Earth Band, STATUS QUO,Y&T, LYNYRD SKYNYRD, THIN LIZZY und DEEP PURPLE auf.
Am 27. Juni anno Zweitausendunddrei nun also sollte sich zeigen, ob es noch
immer genug (Hard-)Rockende gibt, welche die Glanzzeiten der Siebziger und frühen Achtziger überlebt und nicht vergessen haben. Und .... es gibt sie! Viele, sehr viele sogar, auch wenn sich die Werbung in Germoney recht überschaubar gestaltete. Aus Grossbritannnien, Italien, Österreich, Belgien,
natürlich auch aus Deutschland und vor allem eben aus den Niederlanden kamen mehr als 25.000 Fans, um dieses vom Rocksender Arrow veranstaltete Event(ausverkauft!!) zu einem spektakulären Tag werden zu lassen.
Vorab noch ein paar Worte zum Ort des Geschehens. Gut ausgeschilderte
gebührenfreie Parkplätze, ausreichend gepflegte sanitäre Anlagen, ein auch optisch ansprechend gestaltetes Gelände, akzeptable Bier- und T-Shirtpreise sowie Programmhefte for nothing (!) und ein freundlich gestimmtes Publikum, dass trotz enormen Bierkonsums (der Rasen war am Ende eine unendliche Becherlandschaft ...) angenehm friedlich blieb, was will man mehr. Und das alles zu einem Ticketpreis von 50 Euro + 3,90 Euro Servicekosten wohlgemerkt, woran sich Acts wie die Rollenden Steine bzw. deren Veranstalter mal ein Beispiel nehmen sollten.
Die Auftrittsorte, kurz Main Stage und Tent Stage genannt, waren ca. 250 Meter auseinander und schon frühzeitig stark frequentiert, so dass ich den Entschluss fasste, aufgrund der grossen Hitze (ein herrlicher Sommertag) und dem Gedränge innerhalb des Zeltes mir die Konzerte unter freiem Himmel anzuschauen. Da auch der Zeitplan peinlichst genau eingehalten wurde, liessen sich Bierhol- und Pinkelpausen trefflichst koordinieren.
WISHBONE ASH eröffneten den Reigen unter freiem Himmel Punkt 14:30 Uhr mit
einem 75 minütigen Auftritt, der zwar von einigen bemerkenswerten Twin Guitar Soli geprägt wurde, aber irgendwie doch recht unspektakulär an den meisten Anwesenden vorüberging. In kleinen Clubs und Hallen mag diese Art von Musik ihre Wirkung sicher nicht verfehlen, auf einer grossen Festivalbühne wirkte das Quartett jedoch eher deplaziert. Zu bieder geriet das Ganze, und auch outfitmässig sich wie in ihrer Freizeit rockende Versicherungsvertreter zu präsentieren sorgt nicht gerade für bleibende Eindrücke.
Da waren URIAH HEEP schon von einem anderen Kaliber. Die Band machte nicht den Fehler, irgendwelche neuen Songs grossartig zu promoten, sondern gab dem Publikum das was es wollte, nämlich eine Auswahl der alten Klassiker. Dem Einstieg mit Easy Livin’ folgten Highlights wie Gypsy, July Morning, The Wizard und als Zugabe eine neuarrangierte Version der unvergessenen Lady In Black. HEEP zeigten sich in gewohnt toller Spiellaune und hinterliessen ein gut eingestimmtes Publikum.
Pünktlich nach einer 45 minütigen Umbaupause (klingt vielleicht viel, aber bei einer Hitze wie an diesem Tag durchaus angebracht)legten STATUS QUO wie immer mit Caroline los. Das Gelände vor der Bühne hatte sich mittlerweile bis zum Pegel rappelvoll gefüllt, und Francis, Rick& Co. brauchten nicht mehr allzu viel zu tun, um die Meute vor ihnen zum Toben zu bringen. Das Programm war bis auf einige ausgelassene Songs aufgrund der eingeschränkten Spielzeit identisch mit jenem der momentan stattfindenden Tour. Na gut, ich hätte noch gerne Big Fat Mama statt Something About You Baby I Like gehört, aber so ist das eben immer, wenn man einen solchen Back-Katalog hat. Und da kommen wir auch schon zu einem Kritikpunkt. So grooooss auch mein Fan-Da(bei)sein ist, es wäre nicht verkehrt gewesen, vor einer solch grossen Zuchauermenge eben mal die eine oder andere Überraschung zu bringen.
Ich will jetzt nicht schon wieder mit dem Geplärre vom Ausspielen der 4500 Zeiten und Male anfangen, aber ein Softer Ride oder Is There A Better Way hätten für ein nettes Schmankerl gesorgt. Da auch der Sound nicht so brillig und auch merkwürdig leise war, kam der Auftritt in keinster Weise an jenen Wirbelwind vom Sommer 2001 heran, den die Band im grenznahen Bocholt beim dortigen Open-Air veranstaltet hatte. Vielleicht war es den Jungs auch nur einfach warm, denn seinerzeit hätten sie mit den zurückgelegten Laufwegen bequem am örtlichen Marathon teilnehmen können.
Wie ich hier gestehen muss, habe ich LYNYRD SKYNYRD noch nie zuvor live
gesehen. Demenstsprechend neugierig sah ich dem Auftritt entgegen.Ein wenig vom neuen Album, Klassiker wie Simple Man oder Sweet Home Alabama und eine gut aufeinander eingespielt wirkende Band sorgten nicht nur bei mir für ein Grinsen im Gesicht. Die eingeschränkte Spielzeit ging viel zu schnell vorüber und die Jungs (und Mädels) hinterliessen wohl nicht nur bei den vielen Skynyrd T-Shirtträgern einen positiven Eindruck sondern eine allgemein partymässig gelaunte Menge tausender Rockfans sämtlicher Couleur. Wer Rick Medlocke mal mit Blackfoot gesehen hat wird diesen Zeiten vielleicht ein wenig nachgetrauert haben, aber er scheint LYNYRD SKYNYRD einen echten Schub zugeben. Was der Mann in Bewegung war ....
Auf vielen Festivals stellt man fest, dass vor dem letzten Act eine
Wanderbewegung gen Parkplätze einsetzt und die Reihen sich lichten. Aber nicht so in Lichtenvoorde. Als DEEP PURPLE mit Highway Star loslegten,war das Gelände noch immer rappelvoll. Purples Gig kann man wohl nur als Weltklasse einstufen, sie waren zurecht der Headliner an diesem Tag. Steve Morse lässt Ritchie Blackmore vergessen, der Mann an den Saiten ist einfach phänomenal. Don Airey lässt niemanden mehr Jon Lord vermissen, Ian Gillan ist stimmlich wieder voll auf der Höhe (an diesem Abend hätte ich ihm sogar Child In Time zugetraut) und die Rhythmusfraktion Roger Glover/Ian Paice spielt perfekt. Eine dermassen gut eingespielt und miteinander armonierende Band wie DEEP PURPLE derzeit habe ich in all den vielen Jahren meiner Konzertbesuche äusserst selten gesehen. Es war kein Abnudeln alter Songs sondern das Zelebrieren unvergessener Klassiker in teils neuen Gewändern. Was alleine an Songintros geboten wurde war schon die Eintrittskohle wert.
Egal ob Lazy,Space Truckin’, Perfect Strangers, Black Night oder
das unvermeidliche Smoke On The Water (der wohl am meisten seitens des Publikums abgefeierte Song des Tages), alles klang wie von einem anderen Stern des Rock-Universums.
Als Fazit lässt sich sagen, dass DER ROCK nach wie vor lebt,und wie! Nächstes Jahr soll diese Veranstaltung wieder steigen, was man nur begrüssen kann. Eine hervorragend organisiertes Festival, welches seinesgleichen sucht. Vielleicht im nächsten Jahr mit Golden Earring (wo wir doch schon mal in den Niederlanden sind), Ted Nugent, Foreigner, Styx, REO Speedwagon, Foghat oder Bad Company ? Warten wir’s ab ....